(aus echo-online.de vom 18.7.23

KSV Reichelsheim wendet mit Kraftakt das komplette Aus ab

Großer personeller Aderlass beim Odenwälder A-Ligisten sorgt für zwischenzeitliche Aufregung. Nun soll ein Trainergespann und „Heimspiel-Aushilfe“ Daniel Kaffenberger es richten.

 

REICHELSHEIM. Es ist kaum zu glauben: Der KSV Reichelsheim stand noch vor dem Abpfiff des letzten A-Liga-Spieltags vor dem Aus. Alle Spieler, die der Verein vor der Runde für einen Neuaufbau einer schlagkräftigen Mannschaft verpflichtet hatte, suchten plötzlich eine neue Herausforderung und verabschiedeten sich vom Odenwälder Fußball-A-Ligisten.

 

Was passiert war, kann Norbert Leist noch immer nicht so ganz genau sagen: „In der Vorbereitung auf den Restrundenstart der vergangenen Saison haben nahezu alle Spieler, ihre Bereitschaft erklärt, auch im neuen Spieljahr für den KSV auflaufen zu wollen.“ Zwei Wochen vor dem letzten Spieltag wurde im Club plötzlich kolportiert, dass der KSV nicht genügend Spieler für die neue Runde habe, zumindest drang dies so zum Vorstand vor. „Wir hatten 21 Fußballer zur Verfügung. Mir ist unerklärlich, wie so etwas in den Umlauf gebracht werden kann“, sagt Reichelsheims Abteilungsleiter. Am Pfingstsonntag dann der nächste Schlag: Im Zehnminutentakt klingelte das Telefon bei Norbert Leist: „Diese Pfingsten 2023 werde ich so schnell nicht vergessen. Sämtliche Leistungsträger, die uns durch die letzte Saison trugen, haben sich abgemeldet und ihren Vereinswechsel angekündigt.“ Jetzt war guter Rat teuer, denn die Frist (15. Mai) für einen freiwilligen Rückzug in die B-Liga war bereits verstrichen. Dabei wäre diese Maßnahme wegen des Qualitätsverlustes wohl notwendig gewesen.

 

Wenige Tage später (1. Juni) begann bereits die Wechselfrist. „Wir haben alles versucht, um doch noch eine spielfähige Mannschaft aufzubieten, doch in den ersten 14 Tagen erhärtete sich bei mir der Eindruck, dass wir das Buch wohl zuschlagen müssen“, so Leist weiter. Im Gespräch mit dem übrigen Kader wurde verhandelt, ob der KSV trotz des personellen Aderlasses in der A-Liga bleibt oder ganz unten in der Kreisliga C einen Neuanfang wagt. Zur Diskussion stand auch eine völlige Aufgabe des Spielbetriebs.

 

„Unsere Fußballer wollten unbedingt in der A-Liga bleiben, also sagte ich zu, dass wir das Ding durchziehen“, so Norbert Leist in einer immer verzweifelteren Lage, die sich aber bis zum Ende der Wechselfrist am 30. Juni wieder etwas entspannte. In einer Kraftanstrengung haben Leist und Mitstreiter doch einen spielfähigen Kader zusammenstellen können. „Jetzt haben wir wenigstens wieder die Chance, um den Klassenerhalt mitzuspielen. Mitte Juni hatten wir nicht mal diese Chance“. Aber Leist zeigt sich auch selbstkritisch: „Wir verfügen schon seit einiger Zeit nicht mehr über ein Bindeglied zwischen Mannschaft und Vorstand. Das will der KSV wieder ändern, plant einen Teammanager zu installieren, der den Vorstand näher an die Mannschaft heranbringt. So will der KSV Entwicklungen schneller erkennen und wenn nötig entgegensteuern.

 

Personell gibt Leist vorsichtige Entwarnung: Mit Halit Dönmez (Groß-Umstadt) und Hänsch (Groß-Zimmern) gewann der KSV zwei Fußballer, die die Erfahrung aus höheren Spielklassen mitbringen. Zudem ist Hänsch ein technisch beschlagener und durchsetzungsfähiger Angreifer und da klemmt es ja, nach dem Abgang vom Stürmerduo Nils Arras und Edwin Untereiner. Freude kam auch auf, als Daniel Kaffenberger, Top-Fußballer beim damaligen Gruppenligisten FC Fürth, zumindest für die Heimspiele zur Verfügung stehen wird. „Die Einschränkung war mir in unserer bedrängten Situation egal. Ich bin froh, dass uns Daniel mit langem Anfahrtsweg weiterhelfen will.“

 

Darüber hinaus stoßen mit Justus Bechtel (Winterkasten) und Jonas Dingeldein (Bullau) zwei jungen Fußballer zum Kader. Beim Gersprenztal-Cup habe gerade Dingeldein einen abgeklärten Eindruck abgeliefert: „Der hat mich überzeugt, auch wenn er zwei Klassen tiefer zuletzt spielte“, so der Reichelsheimer Spartenleiter, der auch auf die noch A-Jugendlichen Benedikt Zieres und Benedikt Kriewald zurückgreifen kann, die auch bereit sind, auszuhelfen.

 

Weil auch Trainer Christian Zeiss sein Amt zur Verfügung stellte, engagierte der KSV den 35-jährigen Tobias Plagge, der in Reichelsheim bereits das Reserveteam in der B-Liga trainierte. Plagge wird gemeinsam mit Philipp Ehrhardt und Florian Bundschuh ein Trainergespann bilden. Man darf also gespannt sein, ob die KSV-Fußballer diesen erneuten Sturm überstehen und wie sie sich in der neuen A-Liga-Saison schlagen werden.

Thomas Nikella