(aus echo-online vom 30.03.22)

Nico Struwe: Die Gründe für meinen Wechsel zum SV Hummetroth
Geld, Beruf, Thomas Epp. Dazu äußert sich der Offensivmann des Hessenligisten Rot-Weiß Walldorf und erklärt außerdem, warum er vom "Projekt Hummetroth" überzeugt ist.

 

WALLDORF - Offensivmann Nico Struwe wechselt in der kommenden Saison vom Fußball-Hessenligisten SV Rot-Weiß Walldorf zum designierten Odenwälder Kreisoberliga-Aufsteiger SV Hummetroth. Diese Nachricht hat in der vergangenen Woche nicht nur im Umfeld der Walldorfer für Aufsehen gesorgt. Der erste Reflex: Struwe ist wegen des Geldes zum finanzstarken SVH gewechselt, den Mäzen Stefano Trizzino und Trainer Thomas Epp in die Verbands- und Hessenliga führen wollen. Doch Struwe erklärt den Wechsel mit einer Fokussierung auf seine neue selbstständige berufliche Tätigkeit.

 

Herr Struwe, Ihr Wechsel als Stammspieler einer ambitionierten Hessenliga-Mannschaft zu einem Noch-A-Ligisten hat viele überrascht und verwundert. Und nicht wenige denken jetzt, Sie haben das nur wegen des Geldes gemacht. Ist das so?

Das denken die Leute, wenn sie sich nicht mit meiner Person befassen. Der Wechsel hat private und berufliche Gründe, was die meisten nicht wissen.

 

Welche?
Ich mache mich als Energieberater ab Sommer selbstständig, weil ich beruflich höhere Ziele und Visionen habe, und dabei zieht es mich auch Richtung Darmstädter Raum. Das wird irgendwann mich und meine Familie finanzieren, deshalb hat das für mich einen höheren Stellenwert als der Fußball. Die Trainingsanforderungen in der Hessenliga passen nicht mehr zu meinen beruflichen Plänen oder sind mit ihnen schwer vereinbar.

 

Was waren sonst noch die Beweggründe?
Ich hatte verschieden Angebote, aber das Gesamtpaket in Hummetroth hat gestimmt. Sie haben ein gutes Projekt mit hohen Zielen, das hat mir imponiert. Ich kenne die Spieler Christopher Felter, Christopher Nguyen und Daniele Toch von ihrer Zeit in Walldorf schon. Und ich bin damals ja auch von der Verbandsliga in Urberach zwei Klassen tiefer zu RWW in die Gruppenliga gewechselt, damals hat auch niemand was gesagt. Das war ein ähnliches Projekt mit dem Ziel Verbands- und Hessenliga. Jetzt gehe ich halt drei Ligen runter, und mittlerweile steht der Beruf im Vordergrund.

 

Wie haben die Walldorfer Mannschaft und die Verantwortlichen reagiert?

Verständnisvoll und respektvoll. Weil sie halt auch den Hintergrund wissen. Ich habe die letzten zwei Jahre Vollzeit hart gearbeitet und sehr viel trainiert, ich hatte so gut wie kein Privatleben und bin persönlich an meine Grenzen gestoßen, das ging an die Reserven. In den vergangenen Jahren musste ich Freunde, Familie und viele private Interessen vernachlässigen, weil ich immer sehr ambitioniert gespielt habe. Jetzt habe ich eine hohe Motivation im Beruf und deshalb fahre ich das Engagement zurück, auch wenn ich im besten Fußballer-Alter bin.

 

Haben die Walldorfer versucht, Sie zum Bleiben zu bewegen?
Ja, das haben sie versucht, denn ich bin ein Walldorfer Junge. Aber ich habe ihnen gesagt, dass ich mich jetzt zwei, drei Jahre auf meinen Beruf konzentrieren muss. Und das haben sie dann auch verstanden, dass der Fußball nicht meine Rente finanziert.

 

Welche Rolle hat Ex-Bundesligaspieler Thomas Epp auf der Trainerbank beim SVH gespielt?
Das ist ein Trainer mit viel Erfahrung im Fußball; er hat mich schon des Öfteren spielen sehen und weiß um meine Qualitäten. Epp hat in dem Gesamtpaket schon eine Rolle gespielt und vielleicht kann er mich noch stärker machen. Der Trainer, dem ich am meisten zu verdanken habe, ist Max Martin. Er hat mich seit der U17 in Walldorf begleitet, mit ihm bin ich in Urberach in die Verbandsliga aufgestiegen und er hat mich in Walldorf dann jahrelang bei den Aktiven geformt. Ich war deshalb sehr traurig und auch geschockt, dass mein fußballerischer Ziehvater im Herbst Walldorf verlassen hat.

 

Aber dass Sie nach Hummetroth gehen, hat nichts mit seinem Nachfolger Artur Lemm zu tun, oder?

Nein. Das hat gar nichts mit dem Verein Rot-Weiß Walldorf zu tun. Er war immer ehrlich zu mir und ich war immer ehrlich zum Verein, deshalb geht der Abschied reibungslos über die Bühne. Und ich werde immer gerne nach Walldorf als Zuschauer zurückkehren, denn die Jungs sind mir als Freunde ans Herz gewachsen.

 

Welchen Plan haben Ihnen denn Trainer Thomas Epp und Mäzen Stefano Trizzino aufgezeigt für die kommenden Jahre?
Langfristiges Ziel ist die Verbands- und Hessenliga. Das war ja auch unser Ziel damals in Walldorf. Dann hat es einmal nicht mit dem Aufstieg aus der Gruppenliga geklappt, deshalb muss man auch Geduld haben. Ich bin mit der U19 des SV Darmstadt 98 in die Bundesliga aufgestiegen, mit Urberach in die Hessenliga, mit Walldorf in die Verbands- und Hessenliga. Wenn mir das jetzt mit Hummetroth auch gelingt - und es ist ja nicht unwahrscheinlich -, dann wäre ich in meiner Senioren-Karriere fast nur aufgestiegen, als Amateurfußballer kann ich mir nichts Besseres vorstellen. Auf jeden Fall ist das Konzept in Hummetroth nachhaltiger und langfristiger aufgebaut, es geht nicht nur darum, gute Spieler zu holen.

 

Die Walldorfer Mannschaft hat die Aufstiegsrunde knapp verpasst und überzeugt jetzt als Tabellenzweiter der Abstiegsrunde. Was trauen Sie ihr in der kommenden Saison und langfristig zu?

Walldorf hat super Strukturen, starke Kicker, eine tolle Jugend. Das ist ein Klasse-Verein mit einer guten Anlage. Ich traue ihnen viel zu, auch den Aufstieg in die Regionalliga. Jetzt im Umbruch, mit Artur Lemm als neuem Trainer und Marcus Spahn als neuem Sportchef, muss sich erst einmal alles einspielen. Aber der Verein wird für andere gute Spieler immer eine attraktive Anlaufstelle sein.

 

Am jüngsten Beispiel von Türkgücü München und vielen anderen Clubs zuvor hat man gesehen, dass das Engagement eines finanzstarken Investors auch schnell wieder vorbei sein kann und dass es dann zum großen Knall kommt, sprich zur Insolvenz oder zum Rückzug der Mannschaft. Haben Sie davor in Hummetroth keine Angst?
Nein. Ich bin nicht wegen der Finanzen gegangen, sondern wegen des Faktors zeitliche Belastung. Und ich habe mir ja einen gewissen Ruf erarbeitet, sodass es im Fall der Fälle hoffentlich auch Alternativen gibt. Nur weil ich jetzt drei Ligen runtergehen, werde ich fußballerisch nicht schlechter werden.

 

Das Interview führte
Heiko Weissinger.